Sabine Freyburg
Schadensbilder und Ursachen – Anforderungen an Sanierzíegel
1. Einleitung | Vorbemerkung
Historische Ziegelmauerwerke bestehen flächenmäßig aus ca. 75-80% Ziegeln. Diese sind mit Mörteln (Versatzmörtel oder Kernmörtel kombiniert mit Verfugmörtel) zum Mauerwerksverbund aufgeseat. Die Ziegelqualitäten werden durch regionalgeologisch stark variierende Ziegelrohstoffe und durch das technische Know-how der Fertigungslinien sowie durch das Wissen der Ziegler und der Baumeister bestimmt:
• Vorindustriell gefertigte. d. h. manuell geformte und in periodisch betriebenen Brennöfen gebrannte Ziegel (Handstrichziegel aus Meiler- oder Feldbrandöfen) sind bis auf ca. 5-10% der Ziegel im Mauerwerk weich und elastisch. Sie sind relativ porös (Wasseraufnahme von 15 bis 23 M.- %) und besitzen einen niedrigen Vefiormungswiderstand, d. h. im Vergleich zu heute gefertigten Ziegeln relativ niedrige Druckfestigkeiten (9 -12 N/mm2). Für eine mauerwerksverträgliche und damit dauerhafte lnstandsetzung dieser Mauerwerke aus vorindustriell gefertigten Ziegeln sind die Anforderungen an Sanierziegel nicht in ausreichendem Maße bzw. gar nicht über das moderne Regelwerk (EN und DIN Normen) gegeben.
• Ziegelsichtige Mauerwerke der zeitlich zuerst entwickelten, industriellen Fertigungslinien mit Strangformgebung und kontinuierlichem Brand im Ringofen (ab 2. Drittel des 19. Jh., zum Beispiel Kasernen- und Fabrikbauten oder Villen der Gründerjadıre und des Jugendstils) besitzen Qualitäten von Vormauerziegeln mit Eigenschaften sogenannter „Hartbrandziegel". Die Ziegel besitzen Wasseraufnahmewerte von 12 bis 15 M.- % und Druckfestigkeiten von ca. 25 bis 35 N/mm2. Diese Mauerwerke werden bei Sanierungsarbeiten von Bauschaffenden häufig wie Klinkermauerwerk behandelt, was bauphysikalisch dem Mauerwerk nicht gerecht wird.
• Modernes Ziegelmauerwerk hat den Vorgaben der Normung (Mauerwerk und Ziegel) zu genügen. Auch hier kommt es zu Schäden, die aber nicht Gegenstand des Beitrages sind.
Der Mörtelverbund von historischem Mauerwerk besteht aus im Vergleich zum Ziegel leicht porôseren Mörteln mit angepassten Verformungseigenschaften. Diese wurden von den Altvorderen so eingestellt, dass der Feuchtigkeitstransport des Mauerwerkes über das Fugennetz ablaufen kann und bei Verwitterung (Frost/Tau- bzw. Frost/Tau/Salz-Angriffe) die Reparaturarbeiten im Rahmen der Baupflege oder von Instandsetzungen an den wesentlich geringerflächigen Mörteln vorgenommen werden können.
Bei Reparaturarbeiten/Sanierung/Instandsetzung ist dieses Grundprinzip einzuhalten. Vorrang bei den Instandsetzungsmaßnahmen hat die harmonische Anpassung – Originalziegel zu Sanierziegel, bei Konsolidierung der Altmörtel mit angepassten Mörteln, die den festgestellten Belastungssituationen (Feuchte und Salzeinträge) gerecht werden.
2. Vorgehensweise
Der Zustand von Bauwerk und Mauerwerk wird als erstes augenscheinlich begutachtet und mögliche Schäden werden wie folgt aufgenommen: Durchfeuchtung, Ausblühungen, Risse, Schadensbilder an Ziegeln, Mörtel und Gesamtmauerwerk (kann einer Schadbildkartierung als Basis für eine Maßnahmekartierung dienen). Hilfreich sind Informationen, die durch Einsichtnahme vorhandener Unterlagen erfolgen kann:
• Anamneseunterlagen für Einzelbauwerk bzw. Gebäudekomplexe (Entstehungsgeschichte/Feststellung der Bauzeit)
• Bau- und Restaurierungsphasenkartierung,
• Angaben zur Nutzung I Umnutzung über die Standzeit des Gebäudeensembles,
• Bauwerksexposition
Es wird von Objekt zu Objekt zu entscheiden sein, ob darüber hinaus und in welchem Umfang folgende Untersuchungen notwendig sind:
• Untersuchungen zu Baustatik, Baugrund etc.
• Untersuchungen zu Mauerwerks-Baustoffen und zum Mauerwerks-Aufbau (Ziegel / Baukeramik, Kernmörtel + Fugendeckmörtel etc.).
Die Untersuchung eingesetzter Baustoffe kann anteilig zerstörungsarm (z.B. Ultraschall, Georadar) erfolgen. Detailinformationen liefern labonechnische Untersuchungen an Bohrkernen, Bohrmehl und Ausbaumaterialien, die in Einrichtungen mit entsprechender Erfahrung und Ausrüstung vorgenommen werden sollten.
Der Umfang der Probenahme ist repräsentativ für das Bauwerk /das Mauerwerk, die vorhandene Baustofibreite und den Schadenszustand auszuwählen. Die erhaltenswerte originale Substanz sollte so wenig wie möglich zerstört werden. Andererseits ist ein Mindestumfang an Probenmaterial notwendig, um gesicherte analytische Aussagen für die Ableitung eines Instandsetzungskonzeptes zu erzielen. Die Ergebnisse dienen der Ursachenfindung der Schadensabläufe und damit der Diagnose als Basis der Therapie zur Ableitung eines Therapiekonzeptes bzw. der Entwicklung eines Maßnahmeplanes mit Vorschlägen zum Einsatz entsprechend getesteter Materialien.
Wünschenswert ist das Anlegen von Testflächen, Versuchsmauern etc. mit einer Standzeit über mindestens eine Frostperiode (wobei dies aus zeit- und kostenökonomischen Gründen selten realisierbar ist und überwiegend unterbleibt). Bedenkt man. welche Folgekosten bei nicht dauerhafter Sanierung auf Grund von Fehleinschätzungen der Verträglichkeit im Originalmauerwerk durch eine erneute Sanierung entstehen können, sollte hier nicht gespart werden.
3. Schadensbilder und Ursachen
Primär sind rohstoff- und fertigungsbedingt Schädigungen der Ziegelmateriadien (Gefügeschädigungen) im Ansatz vorprogrammiert, die durch Hinzukommen von Feuchte- und Salzbelastung typische Schadensbilder bewirken bzw. Tendenzen zu bestimmten Schadensbildern verstärken. Sekundär können zusätzlich auslösende Faktoren hinzukommen, von denen die wichtigsten zu benennen sind:
• Eingriffe in die Mauerwerkssubstanz
• Einbringen neuer, systemunverträglicher Ersatz- oder Sanierbaustoffe
• Einsatz von unangepassten Reinigungsmitteln oder Oberflächenvergütungen
• Fehler oder Schwächen in der Bau- oder Reparaturausführung,
• Änderungeh der Nutzung,
• konstruktive Veränderungen am Bauwerk,
• mangelnde Baupflege.
Das vielschichtige lneinandergreifen der schädigenden Einflussparameter weist eine Auswahl von Ziegelschadensbildern sowie von Mauerwerksschäden, welche an mehr als 70 historischen Bauwerken beobachtet wurden, aus.
Ursache Fertigungstechnik
(Aufbereitung, Formgebung, Brand)
• mangelnde Homogenisierung der Ausgangsmassen
Schlierenbildung von sandigen und tonigen Partien, besonders bei Schwachbrand ist silikatische Matrixbíndung der einzelnen Agglomerate nicht gegeben (Abb.1). Unter Optimalbrandbedingungen werden die Gemengteile versintert oder, nach altern Begriff „verbacken“.
• fehlende Aufbereitung
Kein Abschlämmen oder Auslesen von Grobkorn und schädlichen Bestandteilen: Durch unterschiedliche thermische und hygrische Dehnung der Matrix und der Agglomerate kommt es zu Gefügeschwächung, z. B. Nasen- oder Höckerverwitterung
• schwankende, ungenügende Verdichtung
der Ziegelrohmasse beim Handeinformen
• direkte Bewitterurıg bei Freilufttrocknung
Gefügeschwächung durch witterungsbedingte Entmischung der Teilchen an der Oberfläche (Schlagregen, Hagel, etc.) bewirkt bereits Waben- und Kavernenverwitterung in der Trocknung, was durch den Brand irreversibel gemacht wird (Abb. 2).
• zu niedrige Ausbrandtemperaturen im Brennofen
Jeder Rohstofftyp besitzt eine rohstoffoptimale Brenntemperatuthöhe, ebenso ist ein „Schwachbrand“ je Rohstofftyp unterschiedlich definiert [1,3]. Schwachbrandziegel besitzen kein festes Gefüge und sind anfällig für eine Vielzahl verschiedener Schadensbilder:
• Frost-Tau-Wechsel führen zur Zermürbung und zum blätterteigartigen Aufblättern der Gefüge in Abhängigkeit von diversen Randfaktoren
• zu niedrig gebrannte (unterbrannte) Ziegel neigen zum Quellen. Sie besitzen höhere Ausdehnungskoeffizienten und höhere Sorptionsfeuchten als optimal gebrannte Ziegel, was bereits ohne Frost zu Gefügezermürbung führt. Die sprengende Wirkung durch Anlagerung von gerichteten Wassermolekülschichten auf die tonmineralhaltigen Oberflächen („Ordered water Modell"), setzt in nm-Porenbereichen ein. Diese Porenbereiche sind in zu niedrig gebrannten Ziegeln in größeren Mengen vorhanden als in Ziegelscherben des „Norrnalbrandes".
• Zum „Absanden" neigen unterbrannte Ziegel mit schluffig-sandigem Gefüge (überwiegende Anteile in Kornfraktion >20 μm) aus tonmineralarmen, d.h. „mageren" Ausgangsrohstoffen (Abb. 4a).
• Zum »Abmehlen" neigen unterbrannte Ziegel mit tonig-schluffigem Gefüge (Matrix mit überwiegendem Anteil in den Kornbereichen <<20 μm) aus tonmineralreichen Ausgangsrohstoffen (Abb. 4).
• Zur „Reliefbildung" neigen unterbrannte inhomogene Ziegel mit porosierenden, gefügeschwächenden Massekomponenten wie Schlacken der Raseneisenerzgewinnung (evangelisch-reformierte Kirche Eilsum, Abb. 3).
• Schwachbrandziegel sind anfällig gegen Frostangriff und Belastung mit Salzen was wiederum direkt mit dem fertigungstechnisch eingestellten Gefügesystem zusammenhängt.
• Variierende Brennbedingungen im Brennofen
• Durch eine im Brennaggregat wechselnde Rauchgasausbildung von oxydierend (sauerstolfreich) bis reduzierend mit hydrothermalem Brandcharakter wird die Verwitterungsform
„Randzonenverlust" begünstigt. Randzonenverlust mit intensiver konvexer Rückwitterung dokumentieren ein Binder und ein Läufer im Mauerwerksverband (Abb. 5a). Der Ziegelkernbereich ist unter fast hydrothermalen Brennbedingungen gebrannt, bei Temperaturen von ca. 650 - 750°C bilden sich relativ dichte und feste Gefüge. Am Läufer (Abb. 5a),
Kampischer Hof Stralsund sind zwei Verwitterungsformen zu sehen: der eben beschriebene Randzonenverlust und eine reliefartige Rückwitterung der rechten Ziegelhälfte. An diesem Ziegel sind unterschiedliche Brennbedingungen ablesbar: die linke Hälfte im Einfluss hydrothermaler, sauerstoffarmer Rauchgaseinwirkung und die rechte in überwiegend Sauerstoffüberschuss gebrannt.
• “Kernverlust" als konkave Form der Ziegelrückwitterung zeigt der Ziegel Alte Kanzlei Tangermünde in der 4. Ziegelreihe von unten (Abb. 5b). Dieser kann bei unterbrannten Ziegeln mit porösem Kernbereich gegenüber einem dichten Ziegelrandbereich entstehen.
• Jeder Ziegel der vorindustriellen historischen Fertigung besitzt Gefügedifferenzen zwischen Rand („Sinterrand") und Kern (Abb. 6), welche entscheidend auf das bauphysikalische Verhalten wirken. Die Differenz entsteht durch die direkt auf die Ziegeloberflächen einwirkende Hitze der Rauchgase, die intensiver als im Ziegelinneren wirken. Es entstehen stark abweichende Gefügeausbildungen, welche in den Kernbereichen durch kapillaroffene Porensysteme mit hoher Feuchtespeicherfähigkeit und Feuchterückhaltekraft und in den Randbereichen des gleichen Ziegels durch sehr enge Porensysteme mit überwiegend Mikroporen im Bereich 0,3 bis 0,5 µm charakterisiert sind. Bei Hinterfeuchtung kommt es zu stark verzögerter Rücktrocknung im Vergleich zu gleichmäßig gebrannten Ziegeln mit fast durchgängig kapillaroffenen Systemen. Eine Aufschallung durch Frost-/Tau-/Salzangriffe sind bei Einsatz an der MW Sichtfläche möglich.
• Scharfbrandziegel (z.B. schwarzer Binder Kampischer Hof Abb. 5a) besitzen bei gleichmäßig ausgebildetem Gefüge in Rand- und Kernbereich ausreichend Widerstandskraft gegen die Verwitterung.
Ursache Druchfeuchtung und Salzeintrag
Ohne Durchfeuchtung können keine Lösungsvorgänge in Gang gesetzt werden. Ausreichend Eintrag von Feuchtigkeit ermöglicht erst Lösungsvorgänge aus den Baustoffsystemen des Mauerwerks. Dies führt zur Salzbildung („Ausblühungen") und erhöht die Verwitterungsanfälligkeit. Salze forcieren die zeitlichen Schadensabläufe und wirken zermürbend auf das Gefüge. Die Intensität der Auflockerung und Zerstörung der Gefüge ist abhängig von der Salzart und -zusammensetzung, bedingt durch die unterschiedliche Mobilität (Migrationsvorgänge, hygroskopische Wirkung, Volumenänderung durch Kristallisations- und/ bzw. Hydratationsdruck):
• Durch Hygroskopizität der Salze können die belasteten Baustoffe (Ziegel, Mörtel, etc.) erheblich mehr Feuchte aufnehmen als es ihrer Sättigungsfeuchte ohne Salze entspricht.
Schadensbilder: Feuchteflecke, höhere Frostgefährdung, u. U. Erhärtungsstörungen bei Mörteln.
• Durch Hydratationsdrücke (bei Wasseranlagerung, wie z.B. beim Übergang von wasserfreiem NaSO4 (Thenardit ) in NaSO4 x 10H2o (Mirabilit / Glaubersalz) und Kristallisationsdrücke wird das umgebende Baustoffgefüge zermürbt – zyklisch ablaufende Vorgänge Lösen/ Kristallisation führen i. A. von Temperatur und Feuchte u.U. zur Zerstörung.
Schadensbilder: Absanden, Abschalen, Abplatzungen, Risse
• Durch Kontakt der Salze mit löslichen reaktionsfähigen Bestandteilen der vorhandenen Baustoffe (= Eigensalze) oder der Sanierbaustoffe können chemische Reaktionen ablaufen, in deren Folge neue Verbindungen unter Volumenzunahme (=treibfähig) entstehen können, wie z.B. Ettringit.
Schadensbilder: Absanden, Abschalen, Abplatzungen.
Es liegen fast immer Kombinationen von Salzen einfacher Bindung oder von Mischsalzen im Mauerwerk vor, was die Schadensabläufe in Überlagerung mit Rohstoff-, Gefügeund Fertigungsabhängigkeit wesentlich komplizierter gestaltet.
• Schwerlösliche Salze (vorrangig Gips) fördern Schadenbildung. Die schwerlöslichen Gipskristalle bewirken durch das gerichtete Kristallwachstum ein Abdichten und Verengen der Porensysteme im Randbereich 0,1 bis 0,5 mm ähnlich eines Sinterrandes.
• Abb. 4b zeigt einen durch Umweltbelastung verschmutzten Ziegel mit grauschwarzen, sich schalig abhebenden Belägen und Gipskrusten. Sie führen vorerst zu einer Verdichtung der Oberflächen. Dies lässt den Ziegel solange intakt erscheinen, bis sich über Gefügelockerungen schon aufgrund des Kristallwachstums und des damit verbundenen Drucks ein Abtreiben der ersten Schalen einstellt. Durch Abklopfenkann man „klappernde" Ziegel feststellen, die augenscheinlich wie Scharfbrandziegel erschienen.
• Abb. 7 dokumentieren dieses Schadensbild am Beispiel Terrakotta-Reliefplatten des Schweriner Schlosses. Die Dünnschliffaufnahme mittels Polarisationslichtmikroskop zeigt die Gefügeauflockerung und das Abtreiben der Gefüge-Schalen durch feine hellgraue Gipskristallschichten (Vergrößerung 56-fach, parallele Polarisatoren). Durch das Abschalen dieser dichten Beläge geht die Sinterhaut, die in jedem keramischen Material mehr oder weniger intensiv ausgebildet ist, verloren. Eine porösere, d.h. kapillaraktivere und saugfähigere Oberfläche liegt frei.
• Absanden und Abmehlen wird tendenziell in Abhängigkeit von der gefügetechnischen Ausbildung von der Anwesenheit hygroskopischer Salze geförden. Dies liegt unter Mitwirkung anderer genannter Faktoren bereits an der extremen Erhöhung der Durchfeuchtung des Mauerwerkes und des Einzelziegels.
Ursache Mörteleinstellung / Mauerwerksverbund
Unpassende, unsensible Wahl der Mörtel kann die Harmonie des Orginalmauerwerkes erheblich schneller als Bewitterung über zur Schädigung führen.
• Zu dicht und unelastisch im Vergleich zum umgebenden Ziegelmaterial eingestellte Mörtel bewirken Substanzverlust bei porösen zu niedrig gebrannten Ziegeln, da Feuchte- und Salztransporte überwiegend durch das Ziegelmaterial gehen und dieses zerstören (Abb. 8).
• Reparaturmaßnahmen mit zu hartem und unelastischem zementgebundenen Fugenmörtel können ein plattiges Absprengen der gesamten Läuferoberflächen durch Frost- oder Salz-Angriff bei Hinterfeuchtung bewirken (Abb. 10).
• Zu porös und elastisch eingestellte Mörtel führen zur totalen Rückwitterung / Verlust des Mörtels in Versatzmörtelbereichen und Fugenbereichen. Bei fehlender Baupflege entstehen bei ausreichend Bewitterung konvexe Verwitterungsformen der Ziegel (Abb.9).
• Durch Kombination felılerbehafteter baustofflicher Einstellung (poröser Kernmörtel, kombiniert mit dichtem Fugenmörtel) und einer falschen Mauerwerksausführung entsteht das Schadensbild der Abb.11. Die Fugenoberfläche wurde zu stark verdichtet („abgebügelt"). Damit erfolgte eine Anreicherung von Bindemittel und Feinstzuschlagstoffen in den oberflächenahen Bereichen, was das Abbindeverhalten stört. Verstärktes Schwinden hat Flankenabrisse zur Folge welche verstärkte Hinterfeuchtung ermöglichen. Ein Festigkeitsgefálle und Verminderung des Luftporengehaltes im Mörtel sorgt für Spannungszustände, die das Abtreiben plattiger Ziegel- und Mörtelbereiche verursachen können (Abb.11)
• Bei Einsatz unangepasster (zu dicht und zu feinkörnig) Antrags- bzw. Steinergänzungsmassen kommt es zu vergleichbaren Schadensabläufen (Abb.12).
• Festigungsmittel verengen nur die oberflächennahen Poren und können wie ein Sinterrand der Ziegel wirken. Bei Hinterfeuchtung wird ein Abtrocknen stark verzögert bzw. ganz behindert und der Frost-Tau-Salz-Angriff kann intensiver ablaufen als bei unbehandelten Mauerwerks-Flächen und Einzelziegel.
• Bei Einsatz von unsensibel ausgewählter und zu wenig oder nicht getesteten Reinigungsmitteln können Säuren oder andere Verbindungen eingetragen werden, welche Salze entstehen lassen, die mobiler sind und die Schadensabläufe forcieren.
4. Instandsetzung
Erste Hilfe für das Bauwerk ist eine Therapie sichtbarer Schäden, d.h. Abstellen der zum Schadensfortschritt gravierend beitragenden Probleme:
• Abstellen von Mauerwerksdurchfeuchtungen
• Abdichten der Dachhaut, Erneuern der Dachrinnen
• Schließen defekter Schornsteinkopfanbindungen
• Fenster-Einbau / -Erneuerungen,
• Ersatz defekter oder Neueinbringen von Sperrschichten gegen zulaufende und aufsteigende Feuchtigkeit
• Schließen von Mauerwerksrissen.
Parallel bzw. anschließend sind ein Maßnahmeplan und baustoffliches Sanierkonzept zu erstellen. Für die rückzubauenden zerstörten Ziegel und Mörtel ist bauphysikalisch angepasst Ersatz zu schaffen. Leider wird dabei folgende allgemeine Herangehensweise vielfach beobachtet:
• Auswahl modern gefertigter Ziegel als Ersatz für Originalziegel ohne Berücksichtigung der bauphysikalischen Anforderungen in Anpassung an die vorindustriell gefertigten Handstrichziegel. Als Auswahlkriterien dienen lediglich Farbe, Rustikalität der Sichtflächen, die Festigkeits- und /oder Rohdichteklasse, also überwiegend visuelle Entscheidungsvorgaben.
• Fehlende oder nicht genügende Anpassung des Fugenrnaterials an Originalziegel sowie an die im Bauwerk verbleibenden Austauschziegel der verschiedenen Reparatur-/ Restaurierphasen.
• Entscheidung für nicht genügend getestete Restauriermittel (Tränkung-, Reinigungsmittel, Ersatzmassen, Saniersysteme von Putzen und Mörteln, Anstrichstoffen, etc.) aus der
• Gläubigkeit" gegenüber anbietenden Firmen
Das Anlegen von Testflächen mit den favorisierten Systemen ist ratsam und könnte Kosten weiterer Sanierungsmaßnahmen nach fehlgeschlagenen „teuren Erstversuchen" sparen. Mit dieser Vorgehensweise werden Schädigungen durch ungenügende Rücksicht auf das bauphysikalische Verhalten der Originalbaustoffe und die Bedürfnisse des gewachsenen Bauwerkes vorprogrammiert. Die Sanierbaustofle sind auf der Basis der Zustandsanalysen auszuwählen. Als notwendige analytische Informationen zum Originalmaterial (Ziegel und Mörtel) für die anzutreffende Breite des Erscheinungsbildes sind die Parameter Porosität, Festigkeit, Gefügestruktur und Salzbelastung zu ermitteln. Ziegel, welche sich unbeschädigt als weitestgehend widerstandsfähig gegen die Bewitterung und die Umwelteinflüsse der Originalmauerwerke von 70 Bauwerken über die Standzeit von bis zu 700 Jahren erwiesen haben, weisen übereinstimmend die Parametertendenz „weich und porös" (Wasseraufnahme < 12 - 16 M. % und Druckfestigkeit > 10 - 12 N/mm2) auf. Ziegel dieser Qualität würden heute als nicht frostwiderstandsfähige Hintermauerziegel eingestuft. Neben diesen Untetsuchungsergebnissen sind umfangreiche Daten zu hygrischen Kennwerten und Gefüge neben chemisch-mineradogischen Informationen für die Ziegel der Einzelbauwerke erarbeitet worden (siehe 1).
Anforderungsprofil von Sanierziegeln
Die Ersatzziegel/ Sanierziegel sind an dauerhafte historische Ziegel, welche im Originalmauerwerk verbleiben werden, so anzupassen, dass nicht diese Originalsubstanz durch zu dichtes Einstellen der Ziegel- und Mörtelgefüge geopfert wird. Im Labormaßstab wurden mit hohem Untersuchungsumfang handelsübliche Sanierziegelsortimente unterschiedlichster Hersteller, die nach geltenden Normen als frostbeständig deklariert sind, untersucht und in praxisnaher Erprobung sowie zur Simulation der Verwitterung in Freiluftbewitterung an Testflächen und Versuchsmauern in direkter Nachbarschaft von historischen Originalen eingesetzt (Abb. 14). [1, 2 ]. Viele dieser Ziegel sind zu dicht und zu fest für den Ersatz vorindustriell hergestellter Handstrichziegel (detaillierte Übersicht in 1,4).
Harmonische und systemverträgliche Anpassung an das Originadmauerwetk heißt Anpassung an die bauphysikalischen Konditionen und damit vorrangige Berücksichtigung des Gefügeaufbaus. Aus den Untersuchungsergebnissen lassen sich die Anforderungsparameter für den Gefügetyp „vorindustriell" festlegen. Es werden Gefügeparameter als Porenradienkriterien (Porenradienverteilung mittels Quecksilber-Hochdruck-Porosimetrie zur indirekten Beurteilung der Frostwiderstandsfähigkeit (vgl. [1]) wie folgt ermittelt:
• Mittlerer Porenradius R 50% in Bereichen 1μm ( RT A R 50% > 0,8μm )
• Anteile an Mikroporen R < 0,5μm anteilig, 25 - 30 % bei Vorhandensein von brandbedingten Sekundärmineralophasen zur Ausbildung stabiler, elastischer Gefügestrukturen, die ein Maximum der Verteilungsdichtekurve der Porenradien im Bereich von 1 bis 5 μm aufweisen
• nach Porositätskriterien DIN 105 (anzuwenden unter Einbeziehung der o.a. Porenradíen-Kriterien!) Wasseraufnahme ≤ 15 % sowie Rohdichte ≥ 1,80 kg/dm3
• nach Festigkeitskondition DIN Druckfestigkeitsklasse 10 bis 16 N/mm2
• Frostwiderstandsfähigkeit; erweiterter Nachweis über 50 FTW nach DIN 52252/1
Diese Anforderungen sind durch Sanierziegelhersteller weitestgehend realisierbar. Zu beachten ist dabei noch Folgendes:
• Format und Brennfarbe können fertigungstechnisch angepasst werden. Ähnliches Alterungs- und Verwitterungsverhalten ist bei Einsatz vergleichbarer Ausgangsrohstoffe und angepasster Fertigungsbedingungen zu erwarten
Der Einfluss der Formgebungsart auf die Parameter von Sanierziegeln:
• Handstrichziegel sind, wenn die Quetschfaltenstrukturen nicht durch vorgeschaltete Homogenisierungsaggregate aufgehoben werden, den Originalgefügen historischer Ziegel am ähnlichsten. Ein vergleichbares Alterungsverhalten ist zu erwarten. Diese Ziegel sind kostenintensiv.
• Maschinenstreichziegel besitzen bedingt durch die Einformrichtung vergleichbare Gefügestrukturen wie Handstrichziegel. Ein vergleichbares Alterungs- und Verwitterungsverhalten ist abhängig von Rohstoffeinsatz und Brandführung zu erwarten. Im Vergleich zu Handstrichziegeln stellen sie eine kostengünstige Variante dar.
• Strangformziegel sind dichter und unelastischer als Hand- und Maschinenstrichziegel bei gleicher Rohstoffart und Brennbedingung. Sie stellen eine kostengünstige, aber unangepasste Variante der Sanierziegel dar.
• Problembewusste Wahl moderner Fertigungsaggregate und optimierte Brandführung in vorhandenen Brennaggregaten ermöglichen die Herstellung gut angepasster Ziegel. Diese Aussage wird unterstützt durch ein Meilerbrandexperiment mit Ziegeln aus unterschiedlichen Rohstoffen und mit unterschiedlicher Formgebung, die parallel ebenfalls mit heutigen Brennaggregaten gebrannt wurden.
5. Zusammenfassung
Aus den Untersuchungen an ca. 70 Bauwerken mit Ziegelmauerwerk werden Schadensbilder und deren Ursachen beschrieben. In diesem Zusammenhang wurden die Gefügeparameter geschädigter und nicht geschädigter Ziegel ermittelt und durch umfangreiche Untersuchungen im Labormaßstab auch an Sanierziegeln ergänzt. Daraus lassen sich Gefügeparameter für Sanierziegel ableiten, die den festgestellten Belastungssituationen (Feuchte- und Salzeinträge) gerecht werden und baupysikalisch an das Originalmauerwerk angepasst sind und bei Konsolidierung der Mörtelfugen mit harmonisch angepassten Mörteln eine dauerhafte Sanierung ermöglichen.
Dr.-Ing. Sabine Freyburg war bis November 2009 Forschungsmitarbeiterin und Lehrbeauftragte an der Fakultät Bauingenieurwesen der Bauhaus-Universität Weimar. Die Arbeiten wurden im Rahmen der BMBF-geförderten Denkmalpflegeforschung und in Weiterführung durch das E. A. Finger Institut für Baustoffkunde I Bauhaus Universität Weimar durchgeführt.
Quellen
Freyburg, S. (2004)
Baukeramisches Gefüge und Dauerhaftigkeit - ein Beitrag zur Erhaltung historischer Ziegelmauerwerke.
Dissertation Bauhaus Universität, Weimar 2004
Erfurt, W., Freyburg, S.: Köhler, W (1999)
Freilandversuche zur Verwitterung - Konzeption und Messergebnisse – in Tagungsband Erhaltung historischer Ziegelmauerwerke
Mai 1998 Hundisburg - Logos Verlag, Berlin 1999
S. 60-77
Freyburg, S. (2001)
Gefügeausbildung und Dauerhaftigkeit von Ziegelmaterial.
Ziegelindustrie lnternational Heft 5 2001
S. 32-42
Freyburg, S. (2011)
Instandsetzung von historischem Ziegelrnauerwerk – Anforderungen an Sanierziegel in Backsteinbaukunst – zur Denkmalkultur des Ostseeraumes
Bd ll, Verlag Deutsche Stiftung Denkmalschutz - Monumente Publikationen, Bonn.
S. 188-197
Aus dem IGB-Archiv, Der Maueranker 03-04/2012