Text: Ellen Bauer
Lage
Das Geesthardenhaus hat seinen Verbreitungsraum auf den Geestgebieten und Geestrandgebieten mit vorgelagerten Marschen von Nordfriesland und darüber hinaus in Nordschleswig (Dänemark). Es ist der ehemalige Gesamtraum Herzogtum Schleswig mit Nordschleswig (dänisch) und Südschleswig (deutsch), von der Eider zur Wiedau (Grenze), von der Wiedau zur Königsau in Dänemark. Die Hausforscher sprechen vom „Schleswigschen Hof“ in der Tradition des jütischen Hauses, der ehemals jütische Raum ist sein Verbreitungsgebiet (P.D.).
Geschichte
Vor Einwanderung der Friesen in die küstennahen Gebiete und vor der partiellen Besiedlung durch Sächsische Bevölkerung ist der Schleswiger Raum von Jüten (Dänen) bewohnt und geprägt. So vermischen sich hier in komplizierter Weise Bevölkerung, Sprachgebrauch, Kultur und Baukultur, und das in den jeweils verschiedenen Jahrhunderten unter wechselnder Obrigkeit. Dänisch / Plattdänisch / Plattdeutsch / Friesisch / Hochdeutsch, Nordfriesland war und ist das Vielsprachenland.
Der dänische Hausforscher Peter Dragsbo weist mit Bedauern darauf hin, dass zu dem Schleswiger Gehöft in seiner Entwicklung und seinen verwandten Bauernhäusern keine ausreichenden Hausforschungen stattgefunden haben, vor allem nicht länderübergreifend.
Da die Geestrandsiedlungen mit vorgelagerten fruchtbaren Marschen frühzeitliche Siedlungsplätze sind, wäre eine Forschung zu den Vorgängerbauten des hier dominierenden jütischen Geesthardenhauses wichtig. Es gibt Befunde, dass das Innenständerhaus (Utlandfriesische Haus) dazu gehört. Das Geesthardenhaus scheint in manchen Regionen (nördlich von Husum) das ältere kleinere Utlandfriesische Haus abgelöst zu haben, bzw. ist mit ihm „zusammengewachsen“ als Weiterbau oder Überformumg. (E.B.). Auch das gut sanierte Geesthardenhaus von 1863 in Sterdebüll lässt solche Rückschlüsse zu. (MA 3/2000)
Nicht so in „neu“ gegründeten Dörfern, die ab Endes des 18. Jahrhunderts im Rahmen der „Landgewinnung“ entstehen (Vermehrung von Gras- und Ackerland) und Aufhebung der Allmende, der Verkoppelung. Hier sind die Geesthardenhäuser oft Typenhäuser, innerhalb eines Dorfes alle ähnlich aufgebaut aus dergleichen Zeit (z.B. Almdorf).
Die praktischen Arbeitsabläufe durch Querteilung, die einfache Hauskonstruktion (ohne Innenständer, außer im Vierkant), die gute Belichtung, die einfache Vergrößerungsmöglichkeit verdrängen in vielen Dörfern der Südergoesharde das Niederdeutsche Fachhallenhaus. Ostenfeld ist dafür ein Beispiel. R. Meiborg schreibt 1892-1894 eindrücklich: „Ostenfeld, ein Dorf, das das alte Aussehen bestens bewahrt hat … unterscheiden sich die Gebäude fast gar nicht … die breite Giebelwand … die große Hauspforte (ergänzt: Grotdör) … die Fachwerkwände … sonnenverbrannte Bleifenster und rotgelbe Backsteine … mit Schilf gedecktes Dach … eine kleine viereckige Öffnung für den Rauch, da es hier keine Schornsteine gibt“ (ergänzt: sicher nur einige Restgebäude, E.B.) Er findet das ständerreiche, dunkle, tiefe Niederdeutsche Fachhallenhaus in Fachwerkbauweise vor.
Heute gibt es in Ostenfeld nur Geesthardenhäuser. Diese Beschreibung des dänischen Hausforschers gibt Aufschluss, weshalb 1899 der Heimatforscher Magnus Voss das berühmte Ostenfelder Bauernhaus als erstes deutsches Freilichtmuseum nach Husum versetzen ließ. Voss sah wohl mit eigenen Augen den Untergang der sächsischen Hauskultur in diesem Dorf.
In Seeth sind durch besondere Umstände viele erhalten, in Wohlde, Hollingstedt und Oldersbek habe ich je eins entdeckt (ohne intensive Suche). Dies erklärt, weshalb sich das Geesthardenhaus in wenigen Jahren des besonderen Wohlstandes kurz vor und um 1900 in Deutschland als dominante „moderne“ Bauernhausform in vielen Dörfern der Südergoesharde durchsetzte.
Entscheidend für die Hausgröße bleibt der Landbesitz und die Bodenqualität und in älteren Zeiten die Stellung gegenüber dem Landesherrn, der Kirche, dem Adel als Großgrundbesitzer. (Freihufner, Hufner, Kätner, Insten etc.)
Viehgräsung und Getreideanbau auf fruchtbaren Marschböden bringen durch Handel Reichtum. Der Geestbauer mit z.T. moorigem Land und sandigen Böden bewirtschaftet zumeist kleinere Gehöfte, oft nur für den eigenen Bedarf. L. C. Peters spricht bei beiden Hausfypen, dem Utlandfriesischen Haus und dem jütisch-friesischen Geesthardenhaus vom “Friesischen Langhaus“, evtl. weil die Hausforschung hierzu fehlt (1929).
Konstruktion
Das Geesthardenhaus ist ein langgestrecktes Fachhaus mit wandtragender Dachbalkenkonstruktion. Es entspricht dem ursprünglichen jütischen Bauernhaus, schreibt L.C.Peters, in Grund- und Aufriss, nicht in der Konstruktion. “Wandtragend“ setzt massive, tragende Wände voraus. Sie sind aus Rotsteinziegeln, in Stapelholm und angrenzenden Gebieten aus gelben Steinen. Die Farbe wird vorgegeben durch das unterschiedliche Vorkommen der Lehmqualität. In Angeln und Nordschleswig übernimmt die Statik der Wände die Fachwerkkonstruktion mit Ausfachung, die ältere Art in Flechtwerk mit Lehmbewurf, die jüngere in Ziegelsteinen. In Nordfriesland ist Fachwerk nur bei der alten Bauweise des Niederdeutschen Fachhallenhauses bekannt (bei städtischen Häusern vor der niederländischen Bauweise auch nachweisbar).
Wie das Utlandhaus ist es zumeist ost-westgerichtet, doch in seinen Raumteilen, Wohnteil, Loh und Stallteil sowie Stapelraum quer erschlossen, anders als das kleinere Haus der Utlande, das längs erschlossen wird.
Bewirtschaftung
Der Wohnteil älterer Geesthardenhäuser ist ähnlich dem Utlandfriesischen Haus aufgebaut. Eine Vierteilung der Räume mit Schornstein und Feuerstelle im Kreuzungspunkt. Ebenso gibt es die typische Querdiele (Vordiele) zwischen Wohnteil und Wirtschaftsteil. Direkt neben der schmalen Vordiele liegt die Lohdiele zur Einfahrt des beladenen Wagens, zum Abladen von Erntegut auf den Boden, zum Dreschen und zum Füttern der Pferde durch Luken.
Der angrenzende Stall, in dem das Vieh zweireihig mit Mistgang in der Mitte auch quer aufgeschlossen ist, hat Verbindung zum nächsten Hausteil, dem Bansenraum zur bodenlastigen Lagerung von Heu und Stroh (Futter). Hier steht eine Vierkantkonstruktion nach oben offen zum Hochstapeln, dieser Raum endet ursprünglich am Giebel mit abgeschlepptem Dach und Verbretterung der Wand. Die aneinandergereihten Hausteile haben jeweils Türen, Tore zu beiden Längsseiten, so dass Wirtschaftshof (Zufahrtsseite) mit Pflasterung und Gartenseite (Brunnenseite) verbunden sind und sehr kurze praktische Wege für den Arbeitsablauf entstehen.
Oft gibt es in der erweiterten Form des Hauses zwei aufeinanderfolgende Ställe oder zwei Bansenräume, auch als Wagenremise. Durch diese Verlängerbarkeit bei steigendem Bedarf kommt die auffallend prägende, langgestreckte Form des Hauses zustande. Auch dieser Haustyp zeigt quer angeschobene Stallscheunen, je nach Bedarf und mit Rücksicht auf das Grundstück, das nicht immer eine Verlängerung der ohnehin großen Länge als sinnvoll erlaubte.
Grundriss
Und heute?
Noch gibt es eine Vielzahl dieses Gebäudetyps, viele als umgenutzte Resthöfe. Eine Bestandserfassung und Typologie wäre sehr wünschenswert (Bauforschung s. P.D.).
Erhaltene Geesthardenhäuser
des 18. Jahrhunderts
• Langenhorn
• Büttjebüll
• Drelsdorf
• Dörpum
des 19. Jahrhunderts und um 1900
• Sterdebüll, von 1863
• Enge
• Schardebüll
• Bredstedt
• Dörpum
• Ostenfeld
• Almdorf
• Drelsdorf
in der Erweiterungsform
• Ockholm und andere
Vertiefend zu diesem Thema aus dem IG Baupflege Archiv
Maueranker 02/2005: Der „schleswiger" Bauernhof in einem neuen ethnologisch-archäologischen Licht? von Peter Dragsbo, Sønderborg