Axel Paap, IGB
Zu Einführung ein Beispiel:
1. Ein Haus in Nordfriesland, schön gelegen und landschaftsprägend, mit Reetdach, alten Sprossenfenstern und Türen, Dielenfußböden und Balkendecken, bewohnt seit Dutzenden von Jahren von inzwischen alten Leuten. Der Zahn der Zeit nagte deutlich erkennbar an Dach, Wand und Fenstern. Die Bewohner wissen um den Zustand, finden sich jedoch damit ab, denn für die notwendigen Reparaturen fehlt das Geld. Im Sommer gibt es wenig Probleme, im Winter sorgen eine Herdstelle in der Küche und ein Kachelofen in der Stube für Wärme. Gelegentlich auftretende feuchte Stellen in unteren Wandbereichen kommen und gehen.
2. Dieses Haus wird, nachdem die Bewohner verstorben sind, verkauft an eine Familie aus einer größeren Stadt, die nun versucht, mit mehr Elan als Wissen und Geld, städtische Ansprüche mit ländlich-romantischen Vorstellungen im neuen alten Haus zu vereinen. Fenster und Türen werden, jedenfalls optisch, landschaftstypisch erneuert, allerdings mit Isolierglas und Gummidichtungsprofilen wie es seit der Ölkrise Anfang der 1970er Jahre üblich ist. Ein prägendes Gebäude wurde erhalten – und gerettet?
Im Inneren des Hauses gehen die Wochenend- und Urlaubssanierungsarbeiten weiter. Die morschen Bodendielen werden herausgerissen, eine Betonsohle eingebaut und ein schwimmender Estrich mit Fußbodenheizung aufgebracht. Nachdem auch ein Badezimmer und eine „schnuckelige“ Küche eingebaut wurden, lehnt man sich zufrieden zurück. Nach der Einweihungsparty kehrt der Alltag ein. Freunde verbringen hier Urlaub und Wochenenden, zeitweise wird auch an Feriengäste vermietet.
3. Dann kommen Herbst und Winter. Die Fußbodenheizung funktioniert, es ist behaglich warm. Die Wärmedämmung im Dachboden bewährt sich. Es knackt zwar ab und zu im Gebälk und es werden Risse in den Deckenbalken erkennbar, die vorher nicht da waren. In unteren Wandbereichen und hinter den an den Wänden stehenden Möbeln zeichnen sich dunkle Flecken ab. Feuchtigkeit. Diese Flecken werden größer, sie dehnen sich nach oben aus. An den Rändern dieser Flecken zeigen sich Ausblühungen. „Salpeter“ sagt der schließlich herbeigeholte Bauunternehmer aus dem Nachbarort. Die Feuchtigkeit komme von außen. erklärt er weiter und die Fundamente müßten freigelegt und isoliert werden. Er macht ein Angebot, erhält den Auftrag und legt die Fundamente frei. Er reinigt diese, bringt einen Sanierputz auf, streicht mit Bitumenemulsion. Vorsichtshalber wird noch eine Drainage um das Ganze gelegt mit Abfluß in den nahen Graben. Die Rechnung wird bezahlt. Die nassen Flecken sind noch vorhanden. Aber, versichert der Unternehmer, nun müsse alles erst einmal austrocknen und man solle immer lüften. Die Hoffnung, daß nun alles gut wird, läßt Entspannung aufkommen.
Als aber die Durchfeuchtungen nicht ab, sondern weiter zunehmen und sich in einigen Raumecken bereits Schimmel bildet, ist es mit der Entspannung vorbei. Als der Unternehmer erklärt, er wisse auch nicht weiter, das Wasser komme wohl aus dem Fundament, und er habe sein Möglichstes getan, beschließt man, eine Firma zu holen, die speziell derartige Sanierungen durchführt. Also, Gelbe Seiten aufgeschlagen und gesucht. Um es kurz zu machen, man wurde nicht fündig. ln den Rubriken „Bautenabdichtung“, „Bautenschutz“, „Bautentrocknung“, „Bausanierung“ findet sich kein Unternehmen, das sich umfassend mit dem Handwerk „Trockenlegung“ von Mauerwerk befaßt. In diesem Bereich gibt es kaum Regeln, keine tradierten Erfahrungen und keine Ausbildung. Vorausgeschickt werden muß allerdings, daß es aus bauphysikalischer und technischer Sicht ein Verfahren für jeden Sanierungsfall nicht geben kann. Außerdem bestimmt auch das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht unwesentlich die Art der Sanierung.
Es stellt sich somit die Frage, wie kann hier wirksam saniert werden. Auffallen muß zunächst, daß die Schäden, die das Haus über Generationen nicht kannte, plötzlich nach der Sanierung auftraten. Es wurden hier die physikalischen Kräfte und die chemischen Prozesse, die die Haltbarkeit und den Verfall eines Hauses bestimmen, nicht beachtet. Warum sind so viele Häuser aus vergangenen Jahrhunderten erhalten geblieben und warum zeigen Häuser aus den 1960er- und 1970er Jahren bereits deutliche Mängel wie Risse, Durchfeuchtungen und andere Verfallserscheinungen, die kaum reparabel sind. Warum fühlt man sich in einem alten Haus mit Tonziegelwänden und Reetdach meist wohler als in einem Bungalow von 1970 mit Zentralheizung, Panoramascheiben und Plastik-Flachdach mit 10 Jahren Garantie?
Die Erklärung scheint in folgendem zu liegen: früher wurde landschaftsgebunden gebaut, d.h. es wurden die Baustoffe verwendet, die in erreichbarer Nähe zur Verfügung standen. Holz aus dem Wald, Mauersteine aus der nächsten Ziegelei, Mörtel aus der Tongrube, Reet aus den Gräben und Seen. Aus diesen Materialien wurde traditionell, also auf Erfahrungen beruhend, ein Haus gebaut. Steinplatten für Fußböden wurden teilweise in Lehm verlegt, Holzböden auf Holzlagern, die wiederum auf Steinen ruhten, die auf dem Lehmboden lagen. Dichtungen wir wir sie heute kennen, waren unbekannt. Eine Luftzirkulation war stets vorhanden; selbst unter den Fußbodendielen fand ein Luftaustausch statt. Feuchte Raumluft schlug sich an den Fensterscheiben nieder oder zog durch Fenster und Türen nach draußen. Trockene Luft kam ebenso in das Haus hinein. Baubiologisch war alles einwandfrei; Wohngifte, die uns heute umgeben, gab es nicht. Der hohe Kachelofen strahlte in alle Ecken und sorgte außerdem für Thermik. Ob dieses Wohnen nach unseren heutigen Ansprüchen immer angenehm war, sei dahingestellt. Und so wollte auch unsere eingangs erwähnte Familie nicht wohnen.
Was wurde nun bei der Sanierung falsch gemacht, bzw. ungenügend beachtet?
• Es wurden dichte Fenster eingebaut, die erstens die gewohnte Luftzirkulation behindern, zweitens dazu führen, daß Luftfeuchtigkeit sich nicht mehr an den Scheiben niederschlagen kann und drittens ein Luftaustausch nur noch über die Wände erfolgt, was jedoch nicht ausreicht. jede kleine Undichtigkeit im Fenster ermöglicht einen größeren Luftaustausch als dies über die gesamten Wände möglich ist.
• Die Fußbodendielen wurden gegen eine Betonsohle und Fußbodenheizung ausgetauscht. Hierdurch wurde ebenfalls die Luftzirkulation, besonders im oberen Fundamentbereich, verhindert. Die Niedertemperatur-Fußbodenheizung verhindert jede Thermik. Die Temperatur ist so niedrig, daß besonders Raumecken nicht so erreicht werden, daß hier ein Abtrocknen erfolgen kann, soweit Feuchtigkeit vorhanden ist. Es sind Sanierungsmaßnahmen im Fundamentbereich vorgenommen worden, ohne daß vorher eine eingehende Ursachenforschung betrieben wurde. Um wirksam Sanierungsmaßnahmen durchzuführen, müssen wir uns einige bauphysikalische Gegebenheiten vergegenwärtigen. Hier soll allerdings, um das Thema verständlich einzugrenzen, nur der Bereich Durchfeuchtung und Trockenlegung von Wänden behandelt werden.
Feuchtigkeit
Bei dem Begriff Feuchtigkeit ist hier nur Wasser in seinen drei Aggregatzuständen, flussig, gasförmig oder als Eis gemeint. Feuchtigkeit ist in und an jedem Haus vorhanden, meist flüssig oder als Wasserdampf. Mauerwerk kann durch verschiedene Mechanismen Feuchtigkeit aufnehmen (Abb. 1), durch
• kapillare Wasseraufnahme
• Kondensation
• Kapillarkondensation
• hygroskopische Wasseraufnahme.
1. Kapillar kann eine Wand nur Wasser aufnehmen, wenn sie direkt mit ihm in Berührung kommt. Also nur im Fassadenbereich und in erdberührenden Bereichen wie Kellermauerwerk und Fundamente, soweit diese nicht isoliert wurden. Kapillaren sind Poren oder Röhrchen, die die Eigenschaft haben, Wasser aufzusaugen. Dabei ist die Sauggeschwindigkeit abhängig von der Größe der Kapillaren. Große Kapillaren nehmen schnell Wasser auf, bei allerdings geringerer Steighöhe als feine Kapillaren, die eine größere Steighöhe erreichen. Die Sauggeschwindigkeit ist bei feinen Poren also geringer. Diese geringere Steiggeschwindigkeit hat zur Folge, daß eine theoretisch mögliche Steighöhe nicht erreicht wird, da dem Saugvorgang der Kapillaren im Mauerwerk das Verdunsten der Feuchtigkeit aus dem Mauerwerk gegenübersteht. Irgendwo stellt sich ein Gleichgewichtszustand ein, der von der Größe der Poren des vorhandenen Baustoffs abhängt und von der Leistungsfähigkeit der Verdunstung an der Mauerwerksoberfläche. Je kleiner also die Kapillaren, desto geringer die Steighöhe des Wassers. Bei der hygroskopischen (Wasser an sich ziehend) Wasseraufnahme der Kapillarkondensation von der Kondensation wird Feuchtigkeit aus dem Wasserdampfgehalt der Luft aufgenommen.
2. Zur Kondensation kommt es immer dann, wenn an Wänden und anderen Bauteilen die Taupunkttemperaıur unterschritten wird, d.h. die Grenzlinie von 100 % Luftfeuchtigkeit. Wasserdampf schlägt sich an diesen kalten Zonen als Wasser nieder.
3. Es gibt unter Normalbedingungen niemals völlig trockene Baustoffe. Es bleibt immer eine Restfeuchtigkeit, die als sogenannte Ausgleichsfeuchte bezeichnet wird. Verantwortlich hierfür ist die sogenannte Kapillarkondensation. Hierbei handelt es sich um einen Mechanismus, bei dem in Abhängigkeit von Porengröße und Feuchtigkeit von Baustoffen, bereits vor Erreichen des Taupunktes Feuchtigkeit aufgenommen wird. Je feiner die Poren, desto eher neigen diese zu einer Kapillarkondensation.
4. Die hygroskopische Wasseraufnahme wird hervorgerufen durch Salze, die im Mauerwerk vorhanden sind. Viele wasserlösliche Salze besitzen die Eigenschaft, Feuchtigkeit aus der Luft an sich zu binden. Auf diese Weise kann die vorgenannte Ausgleichsfeuchte eines „versalzenen“ Baustoffes wesentlich erhöht werden.
Was sind bauschädliche Stoffe? Niederschlagswasser und Wasser aus dem Erdreich ist stets mit Schadstoffen belastet. Es handelt sich hierbei im wesentlichen um lösliche Salze wie Sulfat-, Chlorid- und Natriumverbindungen. Bei Verdunsten des Wassers werden diese Salze an den Baustoffoberflächen und schließlich auch in den tiefer gelegenen Zonen abgelagert. Es baut sich eine Salzkonzentration auf. die in der Lage ist, den Baustoff nachhaltig zu schädigen. Bei den Kristallisationsvorgängen werden nachhaltig mechanische Zerstörungen ausgelöst im Putz- und Mauerwerksbereich. Durch das abwechselnd im Wasser Lösen und beim Trocknungsvorgang wieder Auskristallisieren, nehmen die Salze häufig ein größeres Volumen ein als im gelösten Zustand. Das Schadensbild ist ähnlich wie bei Frostschäden. Das bereits erwähnte Gleichgewicht eines Mauerwerks zwischen kapillarer Leitungsfähigkeit und Verdunstung, wird durch die Hygroskopizität der Salze, die sich bei der Verdunstung ablagern, erheblich verschoben. Die Steighöhe des Wassers vergrößert sich. Feuchtigkeit allein ist nicht in der Lage, nennenswerte Steighöhen im normalen Mauerwerk zu erreichen. Erst durch Salze und die dadurch gebundene hygroskopische Feuchtigkeit wird die Mauerfeuchtigkeit hochgeschaukelt. Gerade bei alten Häusern und zunehmender Luftverschmutzung gewinnt dieser Aspekt zunehmend an Bedeutung.
Damit haben wir die Möglichkeiten der Wanddurchfeuchtungen erfaßt und können nun mit der Schadensfeststellung am jeweiligen Objekt beginnen.
Feststellung von Schäden
Es hat wenig Sinn, einen Schaden beseitigen zu wollen, ohne vorher eine eindeutige Diagnose durchzuführen. Diese Diagnose läßt sich in fünf Bereiche unterteilen:
• Feststellung der quantitativen Feuchtigkeit in der Wand und Aufstellen einer Feuchtigkeitsbilanz. Hieraus läßt ich erkennen, welche Mechanismen die Hauptverursacher der Feuchtigkeit in der Wand sind.
Feuchtigkeitsmessungen: Es würde zu weit führen, hier die Techniken der Feuchtigkeitsfeststellung aufzuführen. Mit Hilfe von zwei Methoden, der MC-Methode und der Darr-Methode, kann festgestellt werden, ob das Mauerwerk gleichmäßig durchfeuchtet ist und wie stark und ob die Feuchtigkeit von außen nach innen zu oder abnimmt. Im Vergleich der praktisch möglichen zur tatsächlichen Wasseraufnahme lassen sich Rückschlüsse ziehen auf die Ursachen der Durchfeuchtungen.
• Schadstoffe im Mauerwerk: Feststellung von Art und Menge der in der Wand vorkommenden Salze durch Analysen im Labor.
• Wandmaterial und Wandaufbau einschließlich der Fundamente. Feststellung, ob ein- oder mehrschalige Wand. Zustand der Mauerwerksfugen etc. Der Mauerwerksaufbau kann mit Zollstock, Meißel und Spaten festgestellt werden. Baugeschichtliche Kenntnisse erleichtern diese Arbeit.
• Klimatische Bedingungen der geschädigten lnnenräume. Art der Fenster und der Heizung. Die klimatischen Bedingungen lassen sich durch Augenschein und ggf. durch Sichtbarmachung der thermischen Bedingungen feststellen.
• Gegebenheiten der Umgebung. Lage des Gebäudes im Gelände, Bodenverhältnisse, Grundwasser, Straßenführung, Baumbestand. Die Beurteilung der Umgebung ermöglicht Hinweise auf anstehendes Wasser, Wasseraufnahmefähigkeit des Bodens, Einflüsse auf Mauerwerksabtrocknung durch Bäume oder weitere Bauten.
Der Schaden ist nun festgestellt, die Ursachen sind erkannt. Es können Maßnahmen zur Schadensbeseitigung erfolgen.
Schadenssanierung
Nachdem alle Erkenntnisse über Durchfeuchtung, Salzgehalt und Menge, sowie weitere Einflüsse von außen vorliegen, muß entschieden werden, ob vertikale Mauerwerksabdichtungen, Horizontalabdichtungen oder beide Maßnahmen sinnvoll sind (Abb. 2). Weiter kann eine vorhergehende teilweise Mauerwerksentsalzung notwendig sein. Möglicherweise muß auch eine Drainage eingebaut werden. Bei allen Entscheidungen spielt weiter das Kosten-Nutzen- Verhältnis eine wesentliche Rolle.
1. Horizontale Mauerwerksabdichtung
Ist festgestellt worden, daß kapillar aus dem Erdreich kommende Feuchtigkeit eine wesentliche Schadensursache ist, so ist für einen langfristigen Sanierungserfolg der Einbau einer horizontalen Abdichtung unausweichlich. Diese Abdichtung ist heute bei Neubauten zwingend in den DIN-Normen vorgeschrieben. Bei alten Häusern, die diese Abdichtung nicht kannten, sind hier nachträglich nur zwei Verfahren geeignet, obwohl mehrere Verfahren auf diesem Gebiet den ausführenden Firmen Geld, dem Hauseigentümer hingegen wenig bringen. Zu diesen abzulehnenden Verfahren zählen Entstrahlungsgeräte, Belüftungs- und Heizsysteme. Auch das seit Jahrzehnten bekannte elektroosmotische Verfahren ist dauerhaft allein nicht geeignet.
Erfolgversprechend sind nur mechanische und chemische Verfahren.
a) Beim mechanischen Verfahren wird im Mauerquerschnitt durch Ausstemmen oder Schlitzen ein Freiraum geschaffen, in den eine Abdichtung eingebracht wird. Diese Abdichtung muß so beschaffen sein, daß sie dauerhaft den Kapillartransport der Feuchtigkeit unmöglich macht. Diese Abdichtung ist normalerweise eine beidseitig mit Bitumen kaschierte Folie. Das überzeugendste ist das Maueraustauschverfahren. Hier wind Mauerwerk querschnittstief ausgestemmt, eine Folie eingelegt und wieder ausgemauert. Als vorteilhafter Nebenerfolg ist die Tatsache zu sehen, daß gleichzeitig versalzene Zonen entfernt werden. Zu beachten ist allerdings, daß diese Arbeiten nur abschnittsweise ausgeführt werden können, um die Standfestigkeit des Gebäudes nicht zu gefährden. Dieses bedeutet auch, daß bearbeitete Abschnitte kraftschlüssig wieder hergestellt werden müssen, d.h. die letzte Fuge einwandfrei verdichtet werden muß (Abb. 3). Andere angewendete Möglichkeiten sind das Mauersägeverfahren, wo mittels einer Fräse, Kettensäge o.ä. eine querschnittstiefe Fuge hergestellt wird, in die dann eine Folie eingebracht wird anschließender Vermörtelung wie bei der Ausmauerung. Ein Verfahren, mit dem 1 cm dicke Riffelbleche in die Lagerfuge mechanisch eingetrieben werden, hat sich ebenfalls bewährt. Hier ist jedoch vorher zu prüfen, ob die damit verbundenen Erschütterungen in den Wänden weitere Schäden hervorrufen können.
b) Bei den chemischen Verfahren handelt es sich um lnjektagen, bei denen mit oder ohne Druck eine Flüssigkeit in das Mauerwerk eingebracht wird, die so beschaffen ist, daß entweder eine Kapillarverdichtung erfolgt, welche die Sauggeschwindigkeit verringen oder daß eine hydrophobierende (feuchtigkeitsabstoßend) Wirkung den Durchsatz von Wasser unmöglich macht (Abb. 4). Allgemein werden die Wirkungen beider Flüssigkeiten miteinander kombiniert. Alkali-Silikatverbindungen führen zu einer Porenverdichtung durch Kieselsäuregel. Alkalisilikonate führen zu einer Hydrophobierung durch Polymethylkieselsäure. Andere Verfahren verwenden gelöste Hydrophobierungsmittel, die den ökologischen Nachteil besitzen, daß sie organische Lösungsmittel als Transportmittel benutzen.
2. Vertikalabdichtungen
Neben der Horizontalabdichtung sollte unbedingt eine vertikale Abdichtung des Mauerwerks erfolgen. Hier sind zementgebundene Sperrputze, Dichtungsschlämmen oder bituminöse Abdichtungen denkbar. Bei auskragendem Mauerwerk muß ggf. ein Sperrbeton aufgebracht werden. Bei entsprechenden Bodenverhåltnissen sollte auch die Notwendigkeit einer wirksamen Drainage überlegt werden.
3. Flankierende Maßnahmen
Bei allen vorgenannten Maßnahmen ist eines nicht erreicht: Der Salzgehalt der Mauer wird nicht beeinflußt. Ein Entsalzen mit einfachen technischen Mitteln ist nicht möglich. Nur bei verputzten Flächen ist dieses durch die Entfernung versalzener Putze noch teilweise möglich, nicht jedoch bei versalztem Mauerwerk. Zu erwähnen sind hier noch die sogenannten Sanierputze. Diese Putze besitzen durch eine innere Hydrophobierung eine verzögerte kapillare Saugfähigkeit. Gleichzeitig haben sie durch eingebrachte Luftporen eine hervorragende Wasserdampfdurchlässigkeit. Wasser kann in das Mauerwerk flüssig kaum noch eintreten, gasförmig jedoch sehr gut aus dem Mauerwerk entweichen.
4. Hydrophobierımg
Die Schlagregensicherheit von Mauerwerk wird durch geeignete Steine und vollständige Vermörtelung aller Fugen gewährleistet. Da es sich beim Mauern um Handarbeit handelt und nicht jeder Maurer auch ein guter Maurer ist, wird diese Vollfugigkeit manchmal nicht erreicht. Regenwasser dringt durch mangelhafte Fugen in das Mauerwerk ein. Dieses war schon immer so und führte im 19. Jahrhundert im Nordseeküstenbereich zu der Erkenntnis, daß eine Schlagregensicherheit nur mittels einer Luftschichtwandkonstruktion gewährleistet werden kann. Diese Luftschicht wurde aus der Not geboren und nicht aus der Erkenntnis einer besseren Wärmedämmung wie man heute meint. Das Mauerwerk älterer Häuser ist jedoch einschalig und sanierungsbedürftig. Hier sind die Fugen sorgfältig zu überprüfen und ggf. auszukratzen und neu zu verfugen.
Untersuchungen haben gezeigt, daß auch bei schlechter Mauerwerksausführung nachträglich Schlagregensicherheit hergestellt werden kann durch einwandfreie Neuverfugung. Eine zusätzliche wasserabweisende Imprägnierung in Form einer Hydrophobierung birgt zwei wesentliche Risiken in sich. Die Hydrophobierung hat nur dann einen Sinn, wenn keine Fehlstellen in der Fassade vorhanden sind, d.h. alle Flächen ausreichend tief hydrophobiert sind und keine Risse im Mauerwerk oder der Verfugung vorhanden sind. Durch solche Schadstellen können trotz Hydrophobierung große Wassermengen kapillar in das Mauerwerk eindringen. Das Austrocknen des Mauerwerks wird dagegen wegen der hydrophobierten Bereiche stark erschwert, da hier ein Wassertransport nur durch Dampfdiffusion, nicht jedoch durch Kapiallarwirkung möglich ist. Da durch Diffusion nur kleine Wassermengen transportiert werden können, durch Kapillarwirkung jedoch große Mengen, kann der Wassergehalt im Mauerwerk durch Aufschaukeln so stark ansteigen, daß es auch im Gebäudeinnern zu Durchfeuchtungen kommt. Zusätzlich kann das Wasser im Winter bei Frost die vordere Zone der Verblendsteine durch Eiskristalldruck zerstören.
Ein zweiter wesentlicher Aspekt gegen die Hydrophobierung ist die Tatsache, daß zum Transport der eigentlichen Hydrophobierungsmittel große Mengen Lösungsmittel erforderlich sind. Für ca. 5% Wirkmittel werden ca. 95 % Transport- = Lösungsmittel benötigt. Aus ökologischen Gründen sollte von derartigen Maßnahmen abgesehen werden.
Zusammenfassend muß gesagt werden, daß Mauerwerkssanierungen sorgfältige Voruntersuchungen durch Fachleute erfordern. Augenscheinnahme in Verbindung mit eigenen Erfahrungen reichen für eine Sanierungskonzeption nicht aus. Die Sicherung der Bausubstanz, zu der Außenmauern gehören, ist der wichtigste erste Schritt zur Erhaltung alter Baukultur. Es lohnt sich, etwas länger zu prüfen und zu untersuchen.
Axel Paap, Architekt, ist auf dem gebiet der Denkmalpflege und Altbausanierung in Eiderstedt und Hamburg tätig. Er vertritt die IGB im Ausschuß „Baugestaltung und Denkmalpflege“ im S.H.-Heimatbund.
Quelle IGB-Archiv, Der Maueranker 04/1987